Forscher erzeugen erstmals „Korkenzieher-Licht“ mit sich veränderndem Bahndrehimpuls

Schraubenlicht mit Zusatz-Twist: Forscher haben eine neue Art von Lichtstrahlen entdeckt. Demnach kann sich Licht nicht nur wie ein Korkenzieher winden – es kann dabei auch seine Windungsdichte ändern, wie Experimente belegen. Statt einer Schraube ähneln diese Lichtstrahlen dadurch eher einem Croissant. Dieses Licht mit sich änderndem Bahndrehimpuls könnte eine ganze Reihe neuer Anwendungen ermöglichen, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“ berichten.

Licht ist nicht gleich Licht – es gibt unzählige Eigenschaften, die Photonen und ihr Verhalten im Lichtstrahl charakterisieren. So bestimmt die Wellenlänge und Energie der Strahlung die Lichtfarbe, die Schwingungsrichtung des Lichts beeinflusst seine Polarisation. In Laserstrahlen bewegen sich die Lichtteilchen zudem im Gleichtakt, Laserlicht ist daher kohärent. Erst unsere Fähigkeit, diese Eigenschaften des Lichts zu manipulieren, macht diese Strahlung zu einem so vielseitigen Werkzeug.

Korkenzieher aus Licht

Doch es gibt noch eine Eigenschaft des Lichts – und sie erzeugt besonders exotische Strahlformen. Der Bahndrehimpuls, englisch Orbital Angular Momentum (OAM), bringt eine Lichtwelle dazu, sich beim Ausbreiten spiralig um die eigene Achse zu drehen. Dadurch entsteht eine schraubenförmige Welle. Dieses Korkenzieher-Licht kann seinen Drehimpuls auf mikroskopisch kleine Objekte übertragen, aber auch digitale Daten kodieren und durch die Luft übermitteln, wie vor kurzem ein Experiment belegt hat.

Eine ganz neue Variante solcher Lichtschrauben haben nun Forscher um Laura Rego von der Universität Salamanca entdeckt und erzeugt. Dabei handelt es sich um Lichtstrahlen, deren Bahndrehimpuls nicht gleichbleibt, sondern sich mit der Zeit verändert. „Im Prinzip kann man sich diese exotischen Lichtpulse als eine Abfolge von Photonen vorstellen, deren Bahndrehimpuls sich jeweils gegenüber dem Vorgänger erhöht“, erklären Rego und ihre Kollegen.

Croissant statt Schraube

Durch diese Veränderung verändert sich gewissermaßen die Windungsdichte des Korkenzieher-Lichts. Die Lichtstrahlen ähneln damit weniger einer Schraube als vielmehr einem Croissant, wie die Forscher erklären. Den dadurch entstehenden Effekt bezeichnen Physiker auch als „Self-Torque“ – grob übersetzt „Selbstverdrillung“. „Ein solcher Self-Torque findet sich in verschiedenen physikalischen Systemen wie der Elektrodynamik oder der Allgemeinen Relativitätstheorie“, erklären die Forscher. „Aber dass auch Licht diese Eigenschaft besitzen könnte, war bisher nicht klar.“

Entdeckt haben Rego und ihr Team diese neue Lichteigenschaft zunächst durch theoretische Modelle. Diese legten nahe, dass man unter bestimmten Bedingungen ein OAM-Licht mit sich verändernder Windungsdichte erzeugen kann. Ebenso wichtig jedoch: Die Modelle zeigten auch, wie sich dieser Self-Torque nachweisen lässt. Demnach verrät er sich durch die Präsenz eines Frequenz-Chirps – der Frequenzveränderung gemessen im Lichtkorkenzieher. Würde man einen solchen Chirp in hörbare Frequenzen umwandeln, könnte man einen abfallenden oder ansteigenden Ton hören.

Erster experimenteller Beweis

Aber funktioniert dies auch praktisch? Um das zu prüfen, zog das spanische Forscherteam Kollegen am JILA-Forschungszentrum in Colorado zu Rate – Experten in der Erzeugung von Korkenzieher-Licht. „Zunächst hat uns dies einiges Kopfzerbrechen bereitet“, sagt Kevin Dorney vom JILA. „Denn schon das OAM-Licht zu erzeugen ist alles andere als trivial.“ Doch es klappte. Vereinfacht erklärt nutzten die Forscher dafür zwei Strahlen von Korkzenzieher-Licht, das sich nur um einen Bahndrehimpuls unterschied. Diese Strahlen überlagerten sie in einer sich überschallschnell ausdehnenden Wolke aus Argongas.

Es entstanden Strahlen von energiereichem UV-Licht mit sich verändernden Schraubenwindungen – Licht mit Self-Torque. „Dies ist das erst Mal, dass jemand diese neue Eigenschaft des Lichts theoretisch beschrieben und sogar beobachtet hat“, sagt Rego. „Damit haben wir demonstriert, dass Lichtstrahlen mit zeitabhängigem Bahndrehimpuls erzeugt werden können.“

Vielversprechende Anwendungen

Diese neuentdeckte Eigenschaft des Lichts ist jedoch nicht nur für die Grundlagenphysik interessant, sie könnte auch neue Anwendungen ermöglichen. „Diese neue Eigenschaft des Lichts verleiht Lichtstrahlen einen zusätzlichen Freiheitsgrad – und dieser eröffnet uns aufregende Möglichkeiten“, sagt Dorney.

So könnten diese Wirbel aus Licht genutzt werden, um die dynamische Struktur von Materialien und Molekülen auf der Nanoebene zu analysieren. Das wiederum könnte unter anderem dabei helfen, Hightech-Materialien für Computer oder Smartphones weiter zu optimieren. (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aaw9486)

Quele: Science/ AAAS

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